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Kulturelles | Eurythmie  
   
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Über Eurythmie

Während also die Sprache, die Lautsprache, durch das Sich-Hereinstellen des Menschen in die Schwere zum abstrakten Ausdrucksmittel wird, wird dasjenige, was auf diese Weise versucht wird, wo in lebendiger Geste die Schwerkraft durch Arme und Hände überwunden wird, zu einer Sprache, bei welcher der Mensch das Entgegengesetzte erreicht wie bei der Lautsprache. Bei der Lautsprache trägt er den Himmel auf die Erde herunter und fügt sozusagen den Himmel in die Erde ein.

Bei der Eurythmie, welche zu ihren Gebärdenoffenbarungen durch sinnvolle Überwindung der Schwere in dem menschlichen Bewegungsorganismus kommt, entreisst der Mensch dem Irdischen sein eigenes Dasein und drückt sein Seelisches in der Weise aus, dass er in jeder einzelnen eurythmischen Geste gewissermassen bekräftigt: Ich trage in meinem Erdenmenschen
einen himmlischen Menschen.

Und wollte man das ein wenig bildlich ausdrücken, so müsste man sagen: Bei der gewöhnlichen Gebärde, wo der Mensch in dezenter Weise neben der Lautsprache das ausdrückt, was er sagen will, helfen dem Menschen engelartige Naturen, um seine Erdensprache zu unterstützen. Wird aber dasjenige, was alltägliche Gebärde ist, in die artikulierte Gebärde der Eurythmie umgesetzt, dann ist dasjenige, was man sieht, wenn es umgesetzt gedacht wird in die Sprache, die von Wesen zu Wesen fliesst, eigentlich das, was die Erzengel miteinander sprechen.

Der Mensch hebt sich also los vom schweren Boden hinauf in die Region, wo geistig-göttliche Wesen ihre Mitteilungen ergiessen in die besondere Art und Weise, die ihnen eigen ist, wo die Bewegungen nicht so sind, dass ihnen die Schwerekomponente eingefügt wird, sondern wo sich die Schwerekomponente loslöst und ganz peripherisch in dem Kosmisch-Freien schwingen will, und dass nicht eingefügt ist die Hinneigung zur Erde. Dadurch entfesselt man durch die Eurythmie im irdischen Menschen seinen ewigen Menschen. Dasjenige, was als Göttlich-Geistiges in ihm ruht, kommt zum Ausdruck durch den vorübergehenden irdischen Menschen, und die Seele des Menschen erscheint uns, indem sie sich eurythmisch betätigt, als dasjenige, was sich aus dem Ewigen der menschlichen Natur hereinergiesst in die vorübergehende Form des Körperlichen.

(Rudolf Steiner)